Auf dem Weg zu einer klimaneutralen Wirtschaft kommt man um Wasserstoff nicht herum. Wasserstoff (H) ist das häufigste chemische Element im Weltall und eines der häufigsten auf der Erde. In reiner Form kommt Wasserstoff aber praktisch nicht vor, man muss ihn zuerst von anderen Elementen loslösen. Dafür braucht es Energie, meist viel Energie.
Stammt die Energie, die fürs Loslösen zum Beispiel aus einem Wassermolekül (H2O) verwendet wird, aus erneuerbaren Quellen, so darf Wasserstoff wahrlich als «Grün» bezeichnet werden kann. Denn die Abgase einer Brennstoffzelle bestehen aus reinem Wasserdampf.
Dies dürfte auch ein Grund sein, weshalb Südkorea, eine der führenden Wirtschaftsnationen, sich zum Ziel gesetzt hat, eine «Wasserstoffwirtschaft» zu werden. Das Land möchte dabei vor allem die Mobilität darauf ausrichten und neue Fahrzeuge und Infrastrukturen bauen.
Die richtige Technologie am richtigen Ort
Die Schweiz spielt in der Wasserstoff-Wirtschaft ebenfalls vorne mit. Sie verfügt zwar über keine Nutzfahrzeughersteller, doch im Herstellungsprozess des Wassersstoffs und im Betrieb steht sie in der ersten Reihe. Wie die Empa (Link Demonstrator «move») in ihren Modellrechnungen festgestellt hat, kann Wasserstoff seine Stärken - hohe Reichweiten bei geringem Gewicht - vorallem im Bereich des Güterverkehrs ausspielen. Für Kurzstrecken und Kleinwagen weist die Elektrobatterie hingegen eine bessere Energieeffizienz auf.
Erste Wasserstoff-Lastwagen für Schweizer Transporteure
Die Marktfähigkeit der Wasserstofftechnologie stellen als weltweite Pioniere verschiedene Schweizer Transporteure unter Beweis. Im Oktober 2020 hat der südkoreanische Fahrzeughersteller Hyundai im Verkehrshaus in Luzern an sieben Schweizer Unternehmen die allerersten, serienmässig produzierten Wasserstoff-Elektro-Lastwagen übergeben. Jörg Ackermann, Präsident des Fördervereins H2 Mobilität Schweiz, dem sieben grosse Transporteure angehören, meinte zum Start: «Mit dem heutigen Tag beginnt die Dekarbonisierung des Schwerverkehrs in der Schweiz. Die Hyundai Motor Company und die Schweizer Privatwirtschaft schliessen mit dem Einsatz der ersten XCIENT Fuel Cell Trucks einen Mobilitätskreislauf, der als ganzheitliches Wasserstoff-Ökosystem funktioniert.»
Nur erneuerbare Energie im Einsatz
Der geschlossene Kreislauf beginnt mit der Produktion von grünem Wasserstoff durch Hydrospider AG. Dies erfolgt in einer neuen Produktionsanlage beim Alpiq Wasserkraftwerk Gösgen (SO), wo auch die Container für den Transport abgefüllt werden. Der Wasserstoff wird ausschliesslich mit Hilfe von Strom aus erneuerbaren Energien (Wasser, Sonne, Wind) in der Schweiz hergestellt – und ist somit emissionsfrei und klimafreundlich.
Hyundai Hydrogen Mobility AG importiert bis ins Jahr 2025 bis zu 1’600 Brennstoffzellen-Elektro-LKW. Sie werden den Transporteuren und Logistikern nach dem Pay-per-Use Prinzip für die Warenverteilung in der Schweiz verfügbar gemacht.
Die Mitglieder des Fördervereins H2 Mobilität Schweiz setzen die Nutzfahrzeuge ein und bauen die landesweite Betankungsinfrastruktur mit 350 bar und 700 bar auf (für Nutzfahrzeuge und Personenwagen). Die Anzahl Tankstellen wird in den kommenden Jahren sukzessive hochgefahren, um das zunehmende Volumen an Nutzfahrzeugen mit grünem Wasserstoff zu versorgen.
Die Schwerverkehrsabgabe (LSVA) entfällt
Die zentrale Plattform für die Implementierung des Mobilitätssystems wird von H2 Energy AG betrieben. Ein Grund, weshalb sich die Wasserstoff-Lastwagen nicht nur für die Umwelt, sondern auch betriebswirtschaftlich rechnen sollen, ist ihr Sauberkeit. Wasserstoff ist von der Mineralölsteuer befreit, und der erhebliche Kostenfaktor Schwerverkehrsabgabe (LSVA) entfällt ganz.
Die Vorteile der Wasserstoff-Elektromobilität für die Kunden und die Umwelt liegen auf der Hand: lokale und unabhängige Produktion, emissionsfreie Mobilität (Wasserdampf anstatt Abgase), Antrieb mit Elektromotor (leise und effizient), rasches Betanken (Vergleich mit konventionellen -Fahrzeugen) und eine hohe Reichweite.
Zudem hat Wasserstoff den Vorteil, dass er gespeichert werden kann. «Power to Gas» ist eine zentrale Technologie, um Strom aus erneuerbaren Quellen wie Wasserkraft, Photovoltaik oder Wind ins Energiesystem zu integrieren.
Schweizer Technologie für die Verflüssigung von Wasserstoff
Doch wie gelangt die saubere Energie in den Kreislauf? Um den gasförmigen Wasserstoff in Tanks zu bringen, sind hohe Drücke erforderlich. Darauf spezialisiert ist die Firma Burckardt Compression in Winterthur. Sie ist Weltmarktführerin in der Herstellung von Kompressoren.
Die Hochleistungsmaschinen werden heute für die Herstellung und die Produktion verschiedener Gase in der Industrie verwendet. Künftig sollen die Kompressoren aber auch im Wasserstoffkreislauf verstärkt zum Tragen kommen.
Wie Luzi Valär, Vice President Research and Development bei Burckhardt Compression erklärt, war die Firma in verschiedenen Wandlungsprozessen der Wirtschaft entscheidend mit dabei. Bereits im Jahr 1883 entwickelte die Firma einen ersten Kolbenprozessor, der damals einen Druck von 6 bar erreichte. Heutige Maschinen verfügen über 36'000 PS und einen Betriebsdruck von über 3500 bar.
Den Wandel mitprägen
In den letzten Jahren ging es bespielsweise darum, die globale Schiffahrt statt Diesel mit umweltfreundlicherem, flüssigem Gas anzutreiben. Dies wäre ohne die Verflüssigung durch Kompressoren nicht möglich gewesen. Eine ähnliche Rolle möchte Burckhardt Compression jetzt bei dem Umbau unseres Energiesystems spielen.
Die grosse Aufgabe bei der Verdichtung von Wasserstoff für den Transport ist eine ölfreie Verdichtung. Burckhardt Compression betreibt aus diesem Grund bereits seit 18 Jahren einen Prüfstands-Kompressor mit Wasserstoff.
Eine Schweizer Start-up bringt neue Impulse
Im Frühjahr 2020 ist Burckhardt Compression eine vertiefte Kooperation mit dem EPFL-Spin-off GRZ Technologies eingegangen. Die Verdichtungstechnologie neuer Maschinen von Burckhardt Compression basiert nicht auf den herkömmlichen Kolbenkompressoren, sondern auf thermisch aktiven Metallhydriden, wie sie das Westschweizer Unternehmen entwickelt hat.
Ziel ist es, die neuen Kompressoren weiter zu entwickeln und für den Einsatz bei Tankstellen zu optimieren. Der Ansatz lautet, einen leisen, sicheren und emissionsfreien Kompressor zu bauen, welcher mit der Abwärme anderer Prozesse betrieben werden kann.
Weitere Anwendungen möglich
Das Herzstück der neuen Technologie von GRZ ist bereits dem südkoreanischen Unternehmen Hyundai aufgefallen. Mithilfe der Technologie lässt sich Wasserstoff bei niedrigerem Druck und höherer Dichte sicherer speichern. Hyundai hat sich daher am Start-up beteiligt und erste Kooperationen lanciert.
Im September hat das südkoreanische Unternehmen GRZ Technologies mit mehreren grossen Brennstoffzellen aus dem Hause Hyundai beliefert. GRZ plant die Herstellung eines stationären Stromversorgungssystems, um so auch Gebäude mit Energie versorgen zu können.
Die Technologie von GRZ erlaubt es gemäss Unternehmensangaben, etwa fünf bis zehn Mal mehr Wasserstoff mit einem Druck von weniger als 30 bar speichern zu können. Dies liegt weit unter dem Speicherdruck eines herkömmlichen Wasserstoffstanks von 200 bis 500 bar. Gelingt die Industrialisierung der Technologie, so dürfte Wasserstoff auch über die Mobilität hinaus zu einem bedeutenden Thema werden.
Unterschiedliche Stärken der Antriebssysteme: Erklärvideo der «NZZ»