George Streit: «Künstliche Intelligenz bietet schon heute grossartige Möglichkeiten, den Menschen beim Lernen zu helfen. Zum Beispiel durch massgeschneiderte Lernpfade: Wenn sich Lernende auf einer KI-basierten Lernplattform anmelden, werden ihnen persönliche Übungen und Materialien angeboten, die auf ihre Schwächen und Stärken abgestimmt sind. Die KI lernt mit: Wird der oder die Lernende besser? Wo gibt es Schwierigkeiten? Auf welche Übungen spricht die Person gut an? Und wenn spielerische Elemente in den Lernprozess eingebaut werden, man nennt das Gamification, kann das die Motivation stark steigern.
Ausserdem kann KI Prüfungen und Aufgaben automatisiert bewerten, was die Genauigkeit der Ergebnisse erhöht und Lehrkräfte entlastet. Beispielsweise können Multiple-Choice-Tests und schriftliche Aufsätze durch Natural Language Processing (NLP) schnell und zuverlässig korrigiert werden.
Aber es gibt noch weitere Möglichkeiten, die bisher nicht ausgeschöpft sind: In Zukunft sehe ich virtuelle Klassenräume, in denen Lernende in eine virtuelle Realität eintauchen, fast so, als wären sie tatsächlich vor Ort. Diese immersive Lernerfahrung geht dann über traditionelle Lehrmethoden hinaus: Lernende könnten in historische Ereignisse eintauchen, wissenschaftliche Phänomene hautnah erleben oder interaktive Simulationen durchführen, die das Verständnis komplexer Konzepte fördern. Diese Art des Lernens kann das Engagement und die Motivation der Schüler erhöhen.
Grosses Potenzial sehe ich auch in Sachen Datenanalyse. KI kann den Erfolg der Lernenden bald noch besser vorhersagen, um bei Schwierigkeiten frühzeitig Hilfe anzubieten.
Auch Vorhersagen und Empfehlungen in Sachen Berufsweg sind möglich, da die KI nach Jahren gemeinsamen Lernens ihre Jugendlichen kennengelernt hat. Wichtig ist aber, dass die Empfehlungen als das angesehen werden, was sie sind: eine Einschätzung der Maschine. Die Freiheit, andere Wege zu gehen, Quereinsteigertum und kreative Ideen der Schülerinnen und Schüler müssen weiterhin möglich sein und gefördert werden.
Allgemein liegt der grösste Nutzen von KI in der Bildung in meinen Augen darin, dass Lehrkräfte entlastet werden können, sodass sie mehr Zeit für individuellen Unterricht haben. Denn obwohl KI viele Aufgaben übernehmen kann, ist die menschliche Interaktion in der Klasse und das pädagogische Gespür eines Lehrers nicht zu ersetzen.
Sich von der KI zu abhängig zu machen und gar nicht mehr selbst nachzudenken, darf natürlich auch nicht passieren. Und wir sehen auch, schon allein durch das Smartphone, dass sich Menschen durch Technologie schlechter auf lange Texte oder Problemlösung konzentrieren können.
Das alles zeigt, wie wichtig es ist, neue Fähigkeiten in Bezug auf KI zu vermitteln: kritisches Denken, präzise und relevante Fragen an KI-Systeme zu stellen, die Fähigkeit, eine Quelle der KI zu überprüfen und ihre Vertrauenswürdigkeit zu beurteilen. Aber auch Grundkenntnisse in Datenanalyse und das Verständnis für die Funktionsweise von KI, damit sie richtig eingeschätzt werden kann, sind entscheidend. Ausserdem ist es wichtig, ein Gespür für ihre Gefahren zu entwickeln: unethische Anwendungen und den Missbrauch von (persönlichen) Daten.
Wie bei allen Innovationen entstehen rund um KI auch neue Berufe: zum Beispiel Spezialisten und Spezialistinnen, die KI-Modelle entwickeln und trainieren sowie KI-Ethiker oder Datenwissenschaftlerinnen. KI wird natürlich weiterhin die IT und Softwareentwicklung beschäftigen und Branchen wie die Medizin, in der KI zur Diagnose und Behandlung von Krankheiten immer wertvoller wird. Auch im Finanzwesen wird KI zunehmend unterstützen, zum Beispiel zur Risikobewertung.»
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