Tecindustry Magazin «Die Idee ist nur der erste Funke des Projekts»

«Die Idee ist nur der erste Funke des Projekts»

Starker Innovationsgeist und grosse Passion: In der Schweiz entstehen jedes Jahr rund 400 Start-ups. Woher kommen die Ideen? Und was bringt sie zum Fliegen? Wir haben vier vielversprechende Neugründerinnen und -gründer aus der Tech-Branche befragt. Teil 3: ÖV im All

Das Interview führte: Katharina Rilling, Studio Edit

Pau Molas-Roca, mit Ihrem Start-up COACTUM wollen Sie im All ÖV wie auf der Erde umsetzen. Wie kamen Sie auf diese Idee?

Pau Molas-Roca: Im Jahr 2019 lebte ich auf der anderen Seite der Erde, nämlich in Japan, um meine Masterarbeit zu schreiben. Dort entwickelte ich Raketenmotoren für kleine Satelliten mit. Während ich und mein Supervisor daran arbeiteten, merkten wir, dass diese Motoren relativ einfach und günstig zu produzieren waren. Sie waren zudem tatsächlich stark genug, um kleine Satelliten zu bewegen. Und: Niemand sonst bot so etwas an!

Wann haben Sie die besten Ideen?

Wenn ich mit Laien über ein Thema spreche und es ihnen erkläre. Plötzlich «klickt» dann etwas. Aber auch, wenn ich Zeit in den Bergen verbringe; beim Klettern, Trailrunning, Skifahren oder Radfahren. Der Verstand arbeitet dann weiter, auch wenn ich nicht bewusst über die Arbeit nachdenke. Dann muss ich mich manchmal dazu zwingen, anzuhalten und die Lösung, Idee oder Entscheidung rasch aufzuschreiben.

Welche Probleme lösen Sie mit dem Start-up?

Die schlechte Mobilität zwischen Orbits.

Können Sie die Hauptidee Ihres Start-ups zusammenfassen?

COACTUM möchte im Weltraum ein öffentliches Verkehrssystem realisieren, wie wir es auf der Erde haben. Eine nahtlose Verbindung von Umlaufbahnen wird es Satelliten ermöglichen, erschwinglich und reibungslos bestimmte Ziele anzusteuern. Diese neue Infrastruktur wird Möglichkeiten schaffen, die derzeit blockiert sind und so das Leben auf der Erde weiter verbessern – etwa durch eine verbesserte globale Kommunikation oder durch genauere Wettervorhersagen, um Extremszenarien zu verhindern.  

 

Wie merken Sie, ob eine Idee gut ist?

Ich glaube, man fühlt das ziemlich schnell. Man sollte also auf seinen Instinkt, sein Bauchgefühl hören. Und sich danach Zeit nehmen und nichts überstürzen. Das heisst: die Idee kritisch hinterfragen, mit anderen Leuten diskutieren, sich grundlegende Fragen zum Markt und zur Technologie stellen.

Wie testen Sie Ihre Ideen konkret?

Wichtig ist mir eine gründliche Recherche. Ich löse erst einmal die Grundfragen: Wie sieht die Zielgruppe für mein Produkt aus? Wer sind die potenziellen Kundinnen und Kunden? Was könnte meine Lösung ermöglichen? Hat es schon mal jemand versucht und ist gescheitert? Warum hat es damals nicht funktioniert? Warum haben sie es auf diese Weise gemacht? Ist es ein Produkt oder eine Dienstleistung zur richtigen Zeit? Ist die Technologie bereit? Auch wichtig: Ist das alles finanziell tragfähig?

Und nach der Recherche?

Der zweite Schritt besteht darin, Experten auf dem Gebiet oder Personen, denen ich vertraue, nach ihrer Meinung zur Umsetzung zu fragen. Und das, ohne die Idee oder die Lösung direkt preiszugeben. Zum Beispiel: «Stellen Sie sich vor, Sie hätten die Möglichkeit X zu tun, würde Ihnen das helfen...? »

Vom technischen Experten zum Business-Mann. Wie klappte das?

Ich wuchs ziemlich natürlich hinein. Ich mag es zu Organisieren und Prozesse zu optimieren. Natürlich liegen mir die technischen Diskussionen näher als die administrativen. Aber all das gehört eben dazu. Was mir manchmal schwer fällt: Die Kommunikation mit der Öffentlichkeit. Was berichtet man, wie? Was hält man noch zurück? Wann ist der richtige Moment für die Kommunikation? Man wünscht sich Reputation, aber es muss auch für die Stakeholder und Kundinnen oder Kunden passen.

Was mir manchmal schwerfällt? Die Kommunikation. Was berichtet man, wie? Was hält man noch zurück? Wann ist der richtige Moment, um an die Öffentlichkeit zu gehen? Man wünscht sich Reputation, aber es muss auch für alle Stakeholder stimmen.

Pau Molas-Roca, Co-Founder COACTUM AG

Was braucht es eigentlich noch? Neben der Idee?

Entschlossenheit. Die Idee ist nur der erste Funke des Projekts. Um das Feuer am Brennen zu halten, benötigen Sie Entschlossenheit und die Fähigkeit, sie auf das Team zu übertragen. Nur gemeinsam wird das Projekt vorankommen.

Wie muss das Team aussehen?

Zwei Dinge sind entscheidend: Eine auf Umsetzung und Lösungen ausgerichtete Denkweise. Probleme existieren nicht, in diesem Setup sehen wir nur Wege nach vorne. Und: Verständnis für Verantwortlichkeiten. Jeder hat andere Aufgaben und Fähigkeit, darauf sollte man vertrauen. Ehrlichkeit und Offenheit untereinander sind auch sehr wichtig. Dann kann das Team in Harmonie arbeiten. Wir sind noch daran, das perfekte Team zusammenzustellen. Das existiert aber wohl gar nicht, weil sich die Herausforderungen ständig verändern.

Würdest du es wieder tun? Ein Start-up gründen?

Ja! Ich bin schon in ein zweites Start-up involviert, zusammen mit einem Bruder. Die Firma heisst «Bullet Skis» und dreht sich um ein einzigartiges Skierlebnis. Zudem habe ich weitere Ideen in der Pipeline. Das alles ist eine unglaubliche Reise, die mir grossen Spass macht.

Wie start-up-freundlich ist die Schweiz?

Sehr freundlich! Die Schweiz ist sicher und stabil. Hier leben ausgezeichnete Fachleute, dank der hervorragenden Universitäten. Man kann sich gut vernetzen, es hat Awards, Investoren und Support. Nur für Business-Ideen, die grosses Startkapital benötigen, ist es aber nicht ganz einfach. Und natürlich muss man selber viel leisten, da das Niveau der Konkurrenz sehr hoch ist.

Dein Ratschlag für Menschen, die eine konkrete Business-Idee haben?

Absolute Ehrlichkeit von Beginn an. Wer sich selbst oder auch Investoren anschwindelt, verliert am Ende sehr viel Zeit. Lieber gleich die Hürden angehen und lösen.

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Letzte Aktualisierung: 02.05.2023