Tecindustry Magazin «Wir wollen den Kunstmarkt verändern»

«Wir wollen den Kunstmarkt verändern»

Starker Innovationsgeist und grosse Passion: In der Schweiz entstehen jedes Jahr rund 400 Start-ups. Woher kommen die Ideen? Und was bringt sie zum Fliegen? Wir haben vier vielversprechende Neugründerinnen und -gründer aus der Tech-Branche befragt. Teil 2: Echte Kunstwerke.

Das Interview führte: Katharina Rilling, Studio Edit

Marie Didier, mit Ihrem Start-up MATIS haben Sie eine Lösung entwickelt, die Fachleute bei der Authentifizierung von Gemälden unterstützt. Welches Problem löst Ihre Idee?

Marie Didier: In Gemälden sind viele Informationen für das blosse Auge nicht sichtbar. Unsere Kamera nimmt die Schichten auf, sammelt Daten, analysiert und verschlüsselt diese. Wir decken so zum Beispiel Schäden auf und geben eine Einschätzung über die Materialität und den Zustand des Werks. Das kann etwa bei der Restauration helfen und gibt mehr Sicherheit bei der Investition in ein Kunstwerk. Ich möchte wirklich einen Unterschied in der Kunstwelt machen und Expertinnen und Experten, Institutionen und Museen mit meinem schnellen Diagnose-Tool ausstatten.

Was ist neu an Ihrer Idee?

Unsere Technologie ermöglicht eine schnelle und einfache Interpretation der in den Gemälden verborgenen Informationen. Traditionelle Technologien erhitzen und erleuchten die Werke mit Halogenspots. Dank unserer Multispektralkamera und einem Bildverarbeitungsalgorithmus braucht es nur einen Klick, wir erhitzen und beleuchten nicht – das ist sehr schonend für die Kunstwerke. Die Daten werden verschlüsselt, können uns aber rasch Informationen liefern. Wir überwachen also Kunst mit Technologie, Innovation und Wissenschaft.

 

Wie haben Sie geprüft, ob Ihre Idee gut ist?

Es ist oft eine Herausforderung, Ideen und Technologien zu kommerzialisieren. Ich arbeite in dem Feld der Kunsttechnologie seit mehr als fünfzehn Jahren und wusste, dass es dort einen Bedarf gibt. Ich sah mehr und mehr Sinn darin, Hochtechnologie zu nutzen, um Kunst zu untersuchen. Als Test haben mein Team und ich dann mit rund 300 potenziellen Nutzerinnen und Nutzern während zweier Jahre gesprochen und zahlreiche Fragebögen ausfüllen lassen. So stellten wir sicher, dass wir die Bedürfnisse genau kennen. Der Aufwand hat sich auf jeden Fall gelohnt. Wir haben auf diese Weise viele Informationen gesammelt.

Was half dann, die Idee auch tatsächlich umzusetzen?

Gute Frage: Du hast die Idee, den Markt – aber wie geht es weiter? Man braucht Geld, Skills, Leute. Ich startete neben meinem regulären Job einen Kurs bei Innosuisse, um mehr darüber zu erfahren, wie man ein Start-up gründet. Dort traf ich zufällig eine Frau, die nun mit mir zusammenarbeitet. Zum Glück wurde ich dann mit meiner Idee beim CSEM, dem Swiss Center for Electronics and Microtechnology, für das Programm «Postdoc for Industry» akzeptiert. Dabei musste ich innerhalb zweier Jahre einen Prototyp und die Konzeption eines Unternehmens erarbeiten – mit den gleichzeitig am CSEM erworbenen Kenntnissen in Mikroelektronik und Optik. Ich habe die Stelle dort mit dem Gedanken angetreten, dass ich nach den zwei Jahren mit einem Team, einem Produkt und einem Plan unabhängig sein kann. Mit Erfolg: 2024 gehen wir auf den Markt.

Wie klappte die Finanzierung?

Was uns hilft, unabhängig zu sein und zu wachsen, sind zum Beispiel finanzielle Mittel von Venture Kick, dem BCN-Innovationspreis, der Stiftung für technologische Innovation STI oder dem Kanton Neuchâtel. Wir haben also verschiedene Awards mit Preisgeld gewonnen. Natürlich hilft uns auch das CSEM. Wir arbeiten immer noch an gemeinsamen Projekten und Kooperationen zusammen. Zudem werden wir finanziell von einem Unternehmen unterstützt, das an uns glaubt. Das alles braucht aber viel Engagement unsererseits. Man muss rausgehen mit seiner Idee, damit andere sie kennenlernen und ebenfalls an sie glauben können.

Man muss rausgehen mit seiner Idee, damit andere sie kennenlernen und ebenfalls an sie glauben können.

Marie Didier, Founder bei MATIS

Ist die Tech-Branche in der Schweiz Startup-freundlich?

Ja, man erhält vor dem Start viel Hilfe und es gibt Preisgelder für gute Ideen zu gewinnen. Nach dem Start wird es aber schwerer. Wir befinden uns nun gerade im «Death Valley»: Wir sind nicht mehr ganz früh dran, aber auch noch nicht etabliert und ausgereift. Das muss man dann selber managen.

Sie sind selber Malerin und technische Expertin. Wie war das, auf einmal Gründerin zu sein?

Ich war schon lange in viele verschiedene Organisationen und Foundations involviert. Daher kenne ich diesen Part schon ein wenig. Ich lerne aber jeden Tag dazu. Es ist nicht etwas, was mir einfach so zugeflogen ist. Aber wie immer: Wenn du erfolgreich darin sein möchtest, dann musst du dir das Wissen aneignen, von Expertinnen und Experten lernen und dich da einfach durchbeissen.

Wie sollte ein Gründungsteam aussehen?

Wir sind heute vier Leute im Team. Man braucht leidenschaftliche Menschen, die sehr stark an das Projekt glauben. Jeder sollte dort eingesetzt werden, wo er oder sie seine Stärken hat. Alles andere muss abgefedert oder ausgelagert werden. Das Team sollte auch an den potenziellen Kundinnen und Kunden interessiert sein. Wir sprechen ständig mit ihnen und entwickeln nicht einfach etwas im stillen Kämmerlein. Im Feld der Technologie kann man beinahe alles entwickeln, was man möchte. Die Möglichkeiten sind endlos. Die Herausforderung ist, das für den Markt Richtige zu entwickeln.

Was sind die grössten Herausforderungen für Sie?

Meinem Team und anderen Partnerinnen und Partnern in einfacher und klarer Weise zu erklären, welche Ideen ich im Kopf habe. Die Kommunikation ist eine grosse Herausforderung.

Im Feld der Technologie kann man beinahe alles entwickeln, was man möchte. Die Herausforderung ist, das für den Markt Richtige zu entwickeln.

Marie Didier, Founder bei MATIS

Würden Sie das Start-up wieder gründen?

Auf jeden Fall. Ein Start-up zu gründen beinhaltet Risiken und es ist nicht jeden Tag leicht. Es ist eine Herausforderung und gleichzeitig meine Leidenschaft. Man gewinnt auch viel Freiheit, wenn man nicht fest angestellt ist. Natürlich würde ich im Rückblick aber einige Dinge anders machen.

Was genau?

Ich habe nichts Bestimmtes im Kopf. Es geht vor allem um Verwaltungsaufgaben oder um rechtliche Aspekte. Da handelte ich oft einfach so, wie ich es für das Beste hielt und konnte die Tragweite zum Teil nicht abschätzen. Aber ich lerne aus den Erfahrungen dazu, wie auch aus dem Umgang mit wertvollen Menschen, die ich treffe. 

Ihr Rat an andere Gründerinnen und Gründer?

Schlafen Sie gut! (lacht) Sonst: Den richtigen Leuten vertrauen und weitermachen, ohne die Passion zu verlieren. Und wenn man etwas nicht weiss: offen fragen. Man kann alles lernen.

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Swissmem bietet Startups aus der Tech-Industrie in den ersten 5 Jahren nach der Gründung einen vergünstigten Mitgliedschaftstarif an. Swissmem-Mitglieder profitieren unter anderem von einem breiten Beratungsangebot und erhalten Zugang zu einem grossen Netzwerk potenzieller Kunden und Partner.

Weitere Informationen erteilt Ihnen gerne Adam Gontarz: a.gontarznoSpam@swissmem.ch

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Letzte Aktualisierung: 02.05.2023