Tecindustry «Ich möchte der Menschheit etwas hinterlassen»

«Ich möchte der Menschheit etwas hinterlassen»

Elena Krasnova studiert im vierten Semester Maschineningenieurwissenschaften an der ETH. Daneben engagiert sie sich bei «Swissloop Tunneling» und entwickelt mit anderen Studierenden den schnellsten Tunnelbohrroboter der Welt. Was Tunnelbau mit Baumkuchen backen gemeinsam hat und warum gewinnen gar nicht so wichtig ist, erzählt sie im Interview mit Tecindustry.

Das Gespräch führte Alena Sibrava

Elena, was hat dich dazu bewogen, Maschinenbau zu studieren?
Elena Krasnova: Als ich 10 Jahre alt war, wollte ich Astronautin werden. Später in der Schule habe ich mich für Physik interessiert und an Schulwettbewerben wie «Jugend forscht» mitgemacht. Dadurch habe ich die Möglichkeit erhalten, ein Praktikum am Plasmareaktor in Greifswald zu machen. Das war zwar interessant, aber auch recht theoretisch. Ich merkte schnell, dass es mir nicht genügte, Daten auszuwerten. Ich wollte etwas machen, das man sehen und anfassen kann. So bin ich schliesslich beim Maschinenbau gelandet.

Was fasziniert dich an der Technik?
E.K.: Mir gefällt es, wenn ich etwas von Grund auf entwickeln kann – von der ersten Schraube bis zum fertigen Produkt – und dabei das Zusammenspiel aller Komponenten sichtbar wird. Das Faszinierende beim Maschinenbau ist, dass man mit Händen und Augen nachvollziehen kann, wie etwas funktioniert; wie sich eine Bewegung über Zahnräder weiterverbreitet oder wie ein Motor etwas antreibt.

Neben dem Studium engagierst du dich bei «Swissloop Tunneling» und entwickelst mit rund 50 anderen Studierenden den schnellsten Tunnelbohrroboter der Welt. Wie kam es dazu?
E.K.: Wegen Corona wurden an der ETH plötzlich alle Projekte auf Eis gelegt und der Unterricht fand nur noch online statt. Das fand ich sehr schade. Im Studium bleibt vieles Theorie. Umso wichtiger ist es, zwischendurch auch einmal praktische Erfahrung zu sammeln und sich in interdisziplinären Teams auszutauschen. Diese Möglichkeit bot «Swissloop Tunneling». Das Projekt war neu und alles noch möglich. Ich las mich ein und eignete mir fehlendes Fachwissen über Internetrecherchen an. Heute leite ich das Hydraulik-Team.

Wozu braucht es die Hydraulik?
E.K.: Einerseits für den Antrieb: Unsere Bohrmaschine bewegt sich wie ein Wurm durch die Erde. Ein Segment wird gegen die Tunnelwand geklemmt und ein zweites schiebt die Maschine vorwärts. Andererseits für den Steuermechanismus vorne bei der Maschine: Dieser setzt sich aus zwei Plattformen zusammen, die miteinander durch sechs Zylinder verbunden sind. Durch die Anordnung wie in einem Hexapoden hat die Maschine sechs Freiheitsgrade. Sie kann sich in alle möglichen Richtungen fortbewegen sowie um ihre eigene Achse rotieren. Dasselbe System wird zum Beispiel auch bei Flugsimulatoren angewandt.

Was ist das Innovative an eurem Ansatz?
E.K.: Das Innovative an unserer Methode ist der «Tunnel Liner». Beim Tunnelbau kämpft man in der Regel gegen Erde, Wasser und Steine, die beim Bohren in den Tunnel fallen können. Unsere Maschine baut, während sie den Tunnel bohrt, gleichzeitig eine 13 Millimeter dünne Tunnelwand aus Kunststoff auf. Dies geschieht mittels 3D-Drucktechnik. Man muss sich das ein bisschen so vorstellen wie Baumkuchen backen. Der weiche Teig wird entlang eines Spiesses ausgerollt, dann wird er gebacken, damit er aushärtet. Dasselbe passiert mit unserem Plastik. Er wird aufgeheizt, damit er aushärtet. Anschliessend kann der Spiess – oder in unserem Fall die Maschine – herausgezogen werden und der Kuchen oder eben die Tunnelwand bleibt in Form.

In den nächsten Wochen stehen die letzten Tests an. Was wird da noch geprüft?
E.K.: Die ganze, sieben Meter lange, Maschine wird zum ersten Mal zusammengebaut und es wird unter realen Bedingungen ein Loch gebohrt. Die einzelnen Subsysteme der Maschine wurden zwar regelmässig getestet, aber jetzt muss noch geprüft werden, wie sie zusammenspielen. Da geht es um Fragen wie die Geschwindigkeit: Wie schnell muss ich hinten schieben, damit die Tunnelwand genügend Zeit hat auszuhärten? Oder Fragen zur Sicherheit: Unter welchen Bedingungen muss die Maschine abstellen? Wir wissen zwar, dass wir mit dem Steuermechanismus navigieren können und dass unsere Maschine Steine zerkauen kann – aber wie alles zusammen funktioniert, das werden erst noch diese Tests zeigen.

Was erwartest du dir vom Wettbewerb?
E.K.: Natürlich wäre es grossartig, wenn wir den ersten Platz belegen würden. Dazu müssten wir am schnellsten und präzisesten bohren. Die Platzierung ist letztlich aber eigentlich egal. Es geht darum, dabei zu sein, Leute zu treffen, Erfahrungen zu sammeln und aus eigenem Antrieb heraus etwas zu schaffen, das die Menschheit vielleicht ein Stück weiterbringt.

Wie wichtig ist es dir, dass deine Arbeit einen positiven Einfluss auf die Gesellschaft und die Umwelt hat?
E.K.: Das ist mir sehr wichtig. Ich möchte der Menschheit gerne etwas hinterlassen. Mag sein, dass sich irgendwann niemand mehr an mich erinnert, das ist auch nicht weiter schlimm. Meine Arbeit aber soll über meinen Tod hinauswirken. Ich wünsche mir wirklich, dass es mir gelingt, etwas zu entwickeln, das zum Wohl der Allgemeinheit beiträgt. Wenn das der Fall ist, habe ich mein Ziel erreicht.

Was steht bei dir als nächstes an?
E.K.:
Nächstes Semester werde ich an einem Fokusprojekt zu «Space Crab» – Space climbing robot – teilnehmen. Das Ziel des Projektes ist, einen Roboter zur Erkundung von anderen Himmelskörpern zum Beispiel Planeten, Monden oder Asteroiden zu bauen. Dabei soll er kein herkömmlicher Rover sein sondern sich auf Gliedmassen fortbewegen, um so schwer zugängliche Gebiete untersuchen zu können. Nach einem Umweg unter die Erde, geht es nun also ab ins All.

Der Traum von der Astronautin ist also noch nicht ganz ausgeträumt?
E.K.: Nein, sicher nicht. Das Endziel ist, seit ich 10 bin, gleichgeblieben. Für die Motivation finde ich es sehr wichtig, dass man im Leben einen unerreichbaren Traum hat, auf dessen Erfüllung man hinarbeitet. Ob man den Traum am Ende auch erreicht, ist zweitrangig. Vielleicht schaffe ich es nie ins All, aber wenn ich später einmal Raketen bauen darf, bin ich schon sehr glücklich. 

Das Projekt

Swissloop Tunneling  ist eine von Student*innen geführte Initiative mit dem Ziel, an der Erforschung und Weiterentwicklung der Hyperloop-Technologie und ihrer Anwendung in der realen Welt beizutragen. Im Jahr 2020 kündigte Elon Musks The Boring Company an, im Sommer 2021 die erste «Not-A-Boring-Competition» zu veranstalten, bei der die besten Studententeams gegeneinander antreten, um den schnellsten Tunnelbohrroboter der Welt zu bauen. Swissloop Tunneling qualifizierte sich, setzte sich gegen 400 Konkurrenten durch und steht nun im Final. 

Im Tunnelbau steckt allgemein grosses Potenzial. Wenn die Schweiz bis 2050 klimaneutral werden will, müssen die CO2-Emissionen beim Verkehr drastisch gesenkt werden. Ein Ansatz ist, den Güterverkehr von der Strasse auf die Schiene - oder noch besser unter die Erde - zu verlagern, wie es etwa das Projekt Cargo sous terrain vorsieht. Die innovative Bohrmethode von Swissloop Tunneling wird also unabhängig von Musks Hyperloop-Konzept zukünftig sehr gefragt sein.

 

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Letzte Aktualisierung: 14.07.2021, Alena Sibrava