Interview: Philippe D. Monnier
Herr Lässer, Ihre Firma hat eine bewegte Geschichte hinter sich. Was sind heute die grössten Herausforderungen und Chancen für die LÄSSER AG?
Unser Kerngeschäft, d.h. Stickmaschinen und die dazugehörige Software, ist an sich schon ein schwieriges Gebiet. Ich bin 70 Jahre alt und habe immer in unserem Familienunternehmen gearbeitet. Alle fünf bis sieben Jahre bricht die Nachfrage ein. Dies ist oft auf Modeerscheinungen zurückzuführen, aber nicht nur. Zum Beispiel haben die Pandemie und der Konflikt im Nahen Osten die Türkei, unseren Hauptmarkt, stark beeinträchtigt. Darüber hinaus bleibt der starke Franken eine grosse Herausforderung.
Wie läuft Ihr Geschäft derzeit?
Die Jahre 2021 und 2022 waren wegen der COVID-Pandemie besonders schwierig: 99% der Stickmaschinen in der Türkei standen still. Zum Glück hat sich das Geschäft in den Jahren 2023 und 2024 gut erholt. Dennoch befinden wir uns immer noch auf einem niedrigeren Niveau als vor der Pandemie.
Wie federn Sie die Auswirkungen der wiederkehrenden Nachfrageschwankungen ab?
Wir haben zwei internationale Unternehmen erworben, die in weniger zyklischen Nischenmärkten als Stickereien tätig sind: Unsere Tochtergesellschaft Kaesaro ist auf Käsereipflegeroboter spezialisiert und Menzi Muck auf Bagger. Schliesslich haben wir noch einige Aktivitäten im Immobilienbereich entwickelt. Während der COVID-Krise gelang es uns, Entlassungen zu vermeiden, indem wir unsere internen Aktivitäten erhöht haben. Alle unsere Tochtergesellschaften sind in der Lässer Holding AG zusammengefasst; insgesamt beschäftigt unsere Gruppe etwa 500 Personen, hauptsächlich in der Schweiz.
Welches sind die geografischen Schlüsselmärkte für Ihre Stickmaschinen?
Fast alle unsere Maschinen werden exportiert. In Südeuropa, namentlich in Italien und Frankreich, erfreut sich die Stickerei grosser Beliebtheit, und wir haben verschiedene Kunden in diesen Ländern – ganz im Gegensatz zu Nordeuropa.
Unsere Kunden befinden sich jedoch grossmehrheitlich in Ländern mit weniger hohen Lohnkosten, insbesondere in der Türkei, in Indien, Bangladesch oder China. Der Grund dafür ist einfach: Die Stoffe müssen nach der Bestickung mit unseren Maschinen weitgehend von Hand genäht werden. Aus Gründen der Effizienz ist es daher wünschenswert, dass der gesamte Prozess der Stoffherstellung an Orten mit tieferem Lohnniveau stattfindet.
Die afrikanische Bevölkerung ist eine grosse Abnehmerin von bestickten Produkten. Daher haben wir versucht, eine Produktionslinie in Nigeria aufzubauen, was jedoch nicht funktioniert hat. In Afrika werden bestickte Produkte also hauptsächlich importiert, mit Ausnahme einer kleinen Produktion in Ägypten.
Sind Sie mit den Beziehungen zwischen der Schweiz und der Europäischen Union zufrieden?
Wie bereits erwähnt, ist Europa kein Schlüsselmarkt für unsere Stickmaschinen, aber der Kontinent ist ein wichtiger Markt für die Produkte unserer Tochtergesellschaften Menzi Muck und Kaesaro. Wir sind der Meinung, dass die Regeln für die vorübergehende Zulassung (Veredelungsverkehr) dringend verbessert werden müssen.
Wer sind Ihre Hauptkonkurrenten bei den Stickmaschinen?
Eigentlich haben wir keine mehr, wir sind praktisch ein Monopolist. Unsere Konkurrenten stammten aus Italien, Japan und Korea. Ein weiterer Konkurrent war bis vor Kurzem die Schweizer Firma Saurer. Aber insbesondere aufgrund der oben erwähnten zyklischen Krisen und nicht zuletzt wegen der COVID-Pandemie mussten sie alle Konkurs anmelden oder die Produktion von Stickmaschinen einstellen.
Da Sie sich in einer Monopolstellung befinden, ist Ihr Stickmaschinengeschäft wohl profitabel?
Das stimmt so leider nicht. Unser Sektor bleibt schwierig. Einerseits gibt es einen grossen Markt für gebrauchte Maschinen, da Stickmaschinen bis zu 30 Jahre lang genutzt werden. Darüber hinaus stellen viele Lieferanten nichtoriginale Ersatzteile her. Schliesslich sind unsere Kunden sehr preisbewusst, da Stickerei eine Veredelung von Stoffen ist, auf die unsere Kunden verzichten können. Wir sagen sogar, dass Stickerei ein «Rappengeschäft» ist.
Wie schützen Sie Ihre Innovationen?
Wir besitzen einige «historische» Patente, die uns in unserem Kampf gegen Saurer geholfen haben. Wegen unserer Monopolstellung sind die Kosten für die Anmeldung neuer Patente und die Zahlung jährlicher Lizenzgebühren (pro Land) für die Aufrechterhaltung dieser Patente jedoch untragbar. Darüber hinaus ist das potenzielle Risiko illegaler Kopien vor allem in Ländern wie China und Indien hoch, wo es kompliziert ist, rechtliche Schritte einzuleiten.
Was sind Ihre wichtigsten Anwendungen für künstliche Intelligenz?
Das hängt davon ab, was man unter künstlicher Intelligenz versteht. Früher waren unsere Maschinen rein mechanisch und man musste eine Reihe von Parametern manuell einstellen. Dank der Software, die von unseren acht Informatikingenieuren entwickelt wurde, sind diese Vorgänge nun automatisiert und Fehler können vermieden werden. Meiner Meinung nach handelt es sich hierbei bereits um künstliche Intelligenz. In anderen Bereichen, z.B. bei der Erstellung von Stickmustern, glaube ich nicht, dass künstliche Intelligenz den erfahrenen Mitarbeitenden überlegen ist.
Wie stellen Sie die Vermarktung Ihrer Produkte sicher?
Wir haben unsere eigenen Tochtergesellschaften in der Türkei und in Indien, die unsere Produkte verkaufen und installieren. Darüber hinaus reisen wir viel, um an Fachmessen teilzunehmen oder unsere Kunden direkt zu besuchen.
Welche Funktionen Ihres Kerngeschäfts würden Sie niemals auslagern?
Eigentlich machen wir fast alles selbst: von der Konstruktion der Maschinen und ihrer Software über die Fertigung (mit 60 CNC-Maschinen) den Zusammenbau und die Montage vor Ort bis zur Schulung unserer Kunden.
Ich bin davon überzeugt, dass unsere Kosten nicht niedriger wären, wenn wir mehr Funktionen auslagern würden. Dies liegt insbesondere an den sehr spezifischen Fähigkeiten, die wir benötigen, und daran, dass wir kleine Serien produzieren. Letztlich werden alle unsere Funktionen in der Schweiz ausgeführt, mit Ausnahme eines Teils der Produktion der Menzi-Muck-Bagger, die in unserem Werk in der Slowakei hergestellt werden.
Wo sehen Sie die LÄSSER AG in 10 bis 20 Jahren?
Ich bin 70 Jahre alt, aber meine beiden Söhne sind im Familienunternehmen tätig. Ich fahre meine Tätigkeit bereits langsam zurück. In einigen Jahren wird Philipp, mein ältester Sohn, die Leitung unseres Unternehmens übernehmen. Er ist 32 Jahre alt und hat an der ETH Zürich Maschinenbau studiert. Mein jüngerer Sohn hat einen Master in Betriebswirtschaft und ist vor Kurzem bei der Menzi Muck AG eingestiegen. b halte ich Abkommen, von denen beide Seiten profitieren, für absolut notwendig.
Wie können Sie Ihre Kinder am besten darauf vorbereiten, Ihr Familienunternehmen zu leiten?
Es ist sehr wichtig, dass sie lernen, gut mit unseren Kunden umzugehen, die immer im Mittelpunkt stehen müssen. Sie müssen auch stets bescheiden und bodenständig bleiben.
Was halten Sie von der Ausbildung in der Schweiz?
Sie ist ausgezeichnet und ich beziehe mich dabei gleichermassen auf die Eidgenössischen Technischen Hochschulen (ETH), die Universitäten, die Fachhochschulen (FH) und das System der Berufslehre. Übrigens bilden wir in der Lässer-Gruppe derzeit zehn Lernende aus. Kurz gesagt: Die Ausbildung ist ein grosser Vorteil der Schweiz.
Einige abschliessende Fragen:
Woran denken Sie als Erstes, wenn Sie morgens aufwachen?
Ich bin dankbar, dass ich einen weiteren Tag erleben darf.
Was war Ihre grösste Freude als Führungskraft?
Ich bin jeden Abend zufrieden, wenn der Tag gut verlaufen ist.
Was war Ihre grösste Frustration als Chef?
Bei der Übernahme der Vermögenswerte von Saurer, als ich herausfand, was davon noch übrig war.
Was tun Sie, um sich zu entspannen?
Velo fahren und lesen.
Was würden Sie einem jungen Talent gerne mit auf den Weg geben?
Wie wichtig es ist, die Leidenschaft zu bewahren.