Interview: Philippe D. Monnier
Frau Piquerez, wie läuft Ihr Geschäft?
Das Jahr 2023 sowie das erste Halbjahr 2024 waren hervorragend. Seit November 2024 spüren wir jedoch einen Rückgang, insbesondere wegen der Verlangsamung in der chinesischen Uhrenindustrie. Zudem scheinen unsere Kunden für das Jahr 2025 und sogar für 2026 nicht sehr optimistisch zu sein.
Vor diesem Rückgang erlebte Louis Bélet jahrzehntelang ein Wachstum. Woraufführen Sie das zurück?
Auf die hervorragende Arbeit, die unsere Kolleginnen und Kollegen geleistet haben – insbesondere in der Produktentwicklung. Ausserdem sind die Anwendungsmöglichkeiten unserer Zerspanungswerkzeuge nahezu unbegrenzt. Aus historischer Sicht lag unser Fokus ganz auf der Uhrenindustrie, doch dieser Sektor macht derzeit nur noch 60 Prozent unseres Umsatzes aus. 15 Prozent entfallen auf den medizinischen Sektor, der Rest auf eine Vielzahl anderer Sektoren wie z.B. die Automobil- und Flugzeugindustrie sowie in der Anschlusstechnik und Elektronik.
Welche Herausforderungen stehen im Zusammenhang mit Ihrem Wachstum?
Wir stellen pro Jahr durchschnittlich zehn bis fünfzehn neue Mitarbeitende ein. Wir müssen sie intern ausbilden – eine grosse Investition, die zeitaufwendig ist. Es gibt keine externe Ausbildung zum Werkzeugmacher. Mikromechaniker oder Personen, die eine Lehre als Anlagenführerin oder Anlagenführer absolviert haben, haben jedoch gewisse Grundkenntnisse erworben. Langfristig denken wir sogar darüber nach, für Werkzeugmacherinnen und Werkzeugmacher selbst eine Lehre zu konzipieren.
Warum dauert die interne Schulung Ihrer neuen Mitarbeitenden so lange?
Unsere Berufe sind alle komplexer geworden. So sind die technischen Angestellten vollumfänglich für ihre eigene Werkzeugmaschine verantwortlich, auch für die Programmierung. So steigern wir unsere Effizienz, das Interesse an unseren Stellen und die Loyalität unserer Mitarbeitenden. Es braucht jedoch ein beträchtliches Mass an Grundausbildung.
Für den Verkauf Ihrer Produkte im Ausland verfügen Sie nicht nur über rund 20 Auslandvertretungen und Ihre Website, sondern Sie nehmen ausserdem an Fachmessen teil. Welches sind dabei die Risiken einer «Kannibalisierung»?
Eine solche Gefahr besteht praktisch nicht, da wir vor allem auf unsere Präsenz an rund einem Dutzend Messen pro Jahr setzen. Unsere Produkte, insbesondere die massgeschneiderten, sind äusserst komplex, was für unsere Auslandvertretungen eine Schwierigkeit darstellt. Manchmal können wir einigen von ihnen jedoch territoriale Exklusivität gewähren – natürlich abhängig von den generierten Volumen. Beim E-Commerce stehen wir jedoch noch am Anfang.
Wie gehen Sie mit dem starken Franken um?
Lange Zeit hat sich unser Unternehmen ganz auf den Schweizer Markt konzentriert, namentlich auf die Uhrenindustrie, die ein starkes Wachstum verzeichnete. Derzeit exportieren wir 15 Prozent unseres Umsatzes direkt, weshalb sich der starke Franken nicht allzu sehr auf uns auswirkt. Es ist wichtig, Märkte im Ausland zu erobern. Aber das erfordert einen langen Atem, vor allem weil unsere Branche sehr ausgereift ist.
Überlegen Sie angesichts der Komplexität Ihrer Produkte und der damit verbundenen Dienstleistungen, ins Ausland entsandte Mitarbeitende zu beschäftigen und/oder Filialen ausserhalb der Schweiz zu eröffnen?
Dieses Modell zeichnet sich ab. Wir sind gerade im Begriff, unsere erste Filiale in Frankreich zu eröffnen, im Arvetal. Später werden einige unserer Kinder vielleicht ein Jahr in den USA verbringen und dort eine Filiale eröffnen. Die Idee dabei wäre, in Vendlincourt für diese Filiale in den USA einige technisch-kaufmännische Angestellte aus den USA auszubilden. Sie würden unter anderem die Arbeit unserer Kolleginnen und Kollegen übernehmen, die gelegentlich in die USA reisen.
Wie wichtig sind für Louis Bélet die Beziehungen zur Europäischen Union?
Weil wir nur wenig exportieren, betrifft uns der Handelsteil der bilateralen Beziehungen momentan eher am Rande. Trotzdem ist es wichtig, eine Erosion bei den Schlüsselabkommen zu verhindern. Es wäre eine Katastrophe, wenn wir auf die Einstellung von Grenzgängern (derzeit 35 % unserer Belegschaft) verzichten müssten oder wenn die administrativen Formalitäten erheblich komplizierter würden.
Wer sind Ihre Hauptkonkurrenten und worin bestehen Ihre Wettbewerbsvorteile?
Wir konkurrieren weltweit und in der Schweiz mit sehr vielen Unternehmen, die zwischen zehn und zehntausend Mitarbeitende zählen. Der Markt ist zum Glück riesig. Unsere grössten Vorteile sind Qualität, Innovation und Service, vor allem bezüglich der korrekten Verwendung unserer Werkzeuge.
Neben Ihren Standardprodukten haben Sie auch massgeschneiderte Produkte in Ihrem Sortiment. So stellen Sie kleine, aber auch sehr grosse Serien her. Haben Sie schon einmal daran gedacht, Ihr Geschäft stärker zu fokussieren?
Unser momentaner Ansatz ist unserer Ansicht nach sehr komplementär. Die massgeschneiderten Produkte bringen viele Neuheiten und einen maximalen Mehrwert. Wir brauchen sie, um neue Kunden zu gewinnen, vor allem im Ausland. Ausserdem verkaufen wir von unseren 7000 Standardprodukten, die in der Regel an Lager sind, grosse Mengen an unsere bestehenden Kunden.
Unsere Produktionsmengen schwanken tatsächlich zwischen nur einem und 50’000 Stück. Dies ist möglich, weil all unsere Werkzeuge mehr oder weniger ähnlich sind und auf denselben Werkzeugmaschinen hergestellt werden. Bei grossen Mengen müssen wir unsere Werkzeugmaschinen viel feiner einstellen, um die Produktionskosten zu minimieren.
Mit welchen Strategien entwickeln und schützen Sie Ihre Innovationen?
Um innovativ zu sein und unsere Spitzenposition zu bewahren, investieren wir jedes Jahr 15 bis 25 Prozent unseres Umsatzes in Forschung und Entwicklung (F+E) oder in neue Produktionsmittel (Maschinen, Gebäude). Im Bereich F+E verfügen wir über ein starkes, siebenköpfiges Team, und wir arbeiten häufig mit den Hochschulen und Forschungsinstitutionen in der Romandie – der HE-Arc, der EPFL, dem CSEM, ARCM usw. – zusammen.
In Bezug auf den Schutz unserer Innovationen glauben wir nicht wirklich, dass Patente sinnvoll sind. Sie können leicht umgangen werden. Viel wichtiger ist es, Innovationen als Erste auf den Markt zu bringen – im Wissen, dass sie irgendwann kopiert werden.
Wie wichtig ist künstliche Intelligenz für Louis Bélet?
In diesem Bereich laufen bei uns mehrere spannende Projekte. So haben wir gerade das erste Fräswerkzeug hergestellt, das mithilfe künstlicher Intelligenz (KI) entwickelt wurde. Konkret hat die KI basierend auf früheren Anwendungen und verschiedenen Kriterien die besten Parameter für diesen Fräser definiert. Zudem erstellen wir in Zusammenarbeit mit der HE-Arc auf der Grundlage unserer internen Wissensdatenbanken momentan eine Art ChatGPT.
Welchen Mehrwert bieten Ihre ISO-9001- und ISO-14001-Zertifikate?
Diese Zertifikate sind mittlerweile selbstverständlich geworden. Einige Kunden verlangen sie explizit. Ausserdem ermöglicht uns die Erlangung dieser Zertifikate einen externen Blick auf unsere Prozesse, der verschiedene relevante Fragen aufwirft.
Sie haben viele Massnahmen zum Schutz der Umwelt getroffen. Lassen sich Nachhaltigkeit und Rentabilität miteinander vereinbaren?
Langfristig bestimmt, aber kurzfristig nicht unbedingt. Wir sind zum Beispiel ein grosser Stromverbraucher, weshalb wir eine grosse Anzahl Solarpanels installiert haben, auch auf den Dächern unserer Nachbarn. Diese Investition sollte sich je nach Strompreis in zehn bis fünfzehn Jahren amortisiert haben.
Die lokalen Medien berichten regelmässig über Louis Bélet, auch wenn Sie kaum Interviews geben. Was ist der Mehrwert dieser Medienpräsenz?
Sie hilft uns sicherlich bei der Rekrutierung von Talenten. Zudem unterstützen wir über 150 Kultur- und Sportvereine, hauptsächlich in unserer Region. Das ist uns ein Anliegen, weil es auch die Aufgabe eines Unternehmens ist, lokale Aktivitäten zu unterstützen.
Ist ein Börsengang denkbar, um Ihr Wachstum zu finanzieren und zu beschleunigen – unter Beibehaltung der Kontrolle durch die Familie?
Nein, keinesfalls. Wir streben nicht danach, um jeden Preis unseren Gewinn zu maximieren und so schnell wie möglich zu wachsen. Ganz im Gegenteil: Wir peilen ein schrittweises Wachstum an und möchten der nächsten Generation ein gesundes und technologisch führendes Unternehmen übergeben. Bei einem zu raschen Wachstum besteht die Gefahr, dass man bei einer Abschwächung der Konjunktur Menschen entlassen muss, und das wollen wir möglichst vermeiden. Wir bevorzugen es, Mitarbeitende langfristig einzustellen – daher beschäftigen wir auch keine Leiharbeitenden.
Ihr Verwaltungsrat besteht ausschliesslich aus Familienmitgliedern. Wären externe Verwaltungsräte für Sie hilfreich?
Im Moment verspüren wir keinen Bedarf.
Sind Sie mit den Rahmenbedingungen in der Schweiz und im Kanton Jura zufrieden?
Ja, für uns passen sie gut. Ich kann mich nicht beklagen.
Persönliches zu Roxane Piquerez
Zum Schluss noch ein paar persönlichere Fragen: Woran denken Sie als Erstes, wenn Sie morgens aufwachen?
An meine Kinder und an meine Tagesplanung.
Was war Ihre grösste Freude als Führungskraft?
Dass ich die grosse Chance hatte, den Familienbetrieb mit meinem Bruder übernehmen zu können.
Was war Ihre grösste Frustration als Führungskraft?
Gar keine.
Was tun Sie, um sich zu entspannen?
Ich bin von Natur aus eine sehr entspannte Person, aber ich liebe es zu joggen.
Was würden Sie einem jungen Talent gerne mit auf den Weg geben?
Begeisterung, Leidenschaft und Motivation.