Warum haben Sie sich für einen technischen Beruf entschieden?
Sylvia Zoffmann: Schon während der Schulzeit hat es mir Spass gemacht, mathematische Probleme durch analytisches Denken zu lösen. Das führte mich auch an die Mathematik-Olympiade, wo wir in kleinen Gruppen über mehrere Monate hinweg versucht haben, komplizierte mathematische Aufgaben zu lösen. Nach der Schule habe ich «Technische Mathematik» mit Schwerpunkt Informatik studiert. Das hat mich so begeistert, dass ich schon während des Studiums damit begann, als Softwareentwicklerin in der Forschung und Entwicklung zu arbeiten.
Welche Tätigkeit macht Ihnen bei Ihrer Arbeit am meisten Spass?
Gemeinsam mit meinem Team und den Kundinnen und Kunden eine Vision zu entwickeln und diese dann Realität werden zu lassen. Dazu braucht es den Blick für das grosse Ganze und die Fähigkeit, daraus sowohl Vorteile für den Kunden als auch für das eigene Unternehmen zu generieren.
Können Sie ein Beispiel nennen?
Für das Siemens-Portfolio arbeiten wir in der Gebäudeautomatisierung mit verschiedenen Kunden auf der ganzen Welt zusammen. Gemeinsam entwickeln wir unsere Vision kontinuierlich weiter, in der neue Technologien genauso eine Rolle spielen wie Aspekte der Nachhaltigkeit. Dank «Smart Automation» werden wir den Energieverbrauch im Gebäudesektor je länger, je besser kennen und mit intelligenter Automatisierung optimieren können.
Welche Herausforderungen kann man in Ihrem Job konkret anpacken?
Da sehe ich Nachhaltigkeit und Cybersecurity als die zwei grössten Herausforderungen unserer Zeit. 40% der weltweit verbrauchten Energie wird in Gebäuden benötigt, gleichzeitig ist heute nur ein kleiner Teil der Gebäude automatisiert. Dank Automatisierung können wir Daten systematisch erfassen und analysieren. In einem weiteren Schritt hilft künstliche Intelligenz dabei den Energieverbrauch zu reduzieren – zum Beispiel indem Verhaltensmuster antizipiert werden können. Ein höherer Automatisierungsgrad bedingt jedoch eine höhere Vernetzung der Gebäude durch den Einsatz von Cloud-Technologien. Damit rückt das Thema Cybersecurity immer mehr in den Fokus, sowohl bei Siemens als auch bei unseren Kundinnen und Kunden.
Gab es in Ihrer Arbeitstätigkeit Personen, welche die Richtung Ihrer beruflichen Laufbahn beeinflusst haben?
Ich hatte stets grosses Interesse daran, mich weiterzuentwickeln und neue Herausforderungen anzunehmen. Das habe ich auch so im Unternehmen kommuniziert. Es gab in meinem beruflichen Umfeld immer Unterstützer und Mentoren, die diesen Wunsch aufgegriffen und mir neue Möglichkeiten eröffnet haben. Mit Siemens habe ich einen Arbeitgeber, der sich für Chancengleichheit einsetzt und Frauen in technischen Berufen und in Führungspositionen aktiv fördert. Dafür war und bin ich sehr dankbar.
Als begeisterte Marathonläuferin ist Kathrine Switzer mein grosses Vorbild. Sie hat sich 1967 in den Boston-Marathon hineingeschmuggelt und es durch Hartnäckigkeit und Zielstrebigkeit geschafft, dass Frauen offiziell an Marathons teilnehmen durften. Diese beiden Eigenschaften sehe ich auch in der Berufswelt als essenziell.
Gab es auch Stolpersteine?
Am Anfang meiner beruflichen Karriere war es als Frau noch recht schwierig, sich in dem von Männern dominierten Umfeld zu beweisen. Ich musste deutlich härter arbeiten und länger überzeugen, um dieselbe Wertschätzung zu erfahren. Das hat sich aber in den letzten Jahren deutlich geändert.
Was ist aus Ihrer Erfahrung der beste Tipp für Frauen in einem technischen industriellen Umfeld?
Bleibt authentisch, fokussiert euch auf eure Stärken und Fähigkeiten, nehmt eure Karriere selbst in die Hand. Lasst euch nicht abhalten, neue Perspektiven in diese nach wie vor von Männern dominierte Berufswelt zu bringen.
Berufliche Stationen
- Studium Technische Mathematik, Johannes Kepler Universität Linz (Dipl. Ing.)
- Softwareentwicklerin und Projekt Managerin für Infrastrukturprojekte in Europa und den USA
- Verschiedene Positionen bei Siemens in Österreich und den USA
- Head of R&D Automation Portfolio, Siemens Schweiz AG
